Uschi Waser hat zwei Instagram-Profile. Mit dem einen teilt sie ihre Naturbeobachtungen und nimmt ihre Follower mit an die Aare, wo eine Würfelnatter ins Wasser gleitet, in die Berge zu zwei Steinböcken oder zu einem Jungvogel. Auf dem zweiten Insta-Account @kind_der_landstrasse_1952 gibt sie Einblick in ihre Kindheit: in die 50 Stationen, darunter 27 Heime und Pflegefamilien, in denen sie die ersten 14 Lebensjahre verbringen musste. In ihre Akten und damit in das Verbrechen, das ihr angetan wurde. In ihrem Wohnzimmer in Holderbank im Kanton Aargau erzählt die 72-Jährige, was für eine große Erleichterung es sei, dass das, was sie seit Jahrzehnten empfinde und wofür sie schon so lange kämpfe, jetzt "endlich, endlich" offiziell bestätigt sei: Die Schweiz hat im Umgang mit ihren jenischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, wenn man den heute geltenden völkerrechtlichen Standard als Maßstab nimmt. Zu diesem Schluss kommt das Rechtsgutachten "Die Verfolgung Schweizer Jenischer (und Sinti) im Licht des völkerrechtlichen Strafrechts", das der Zürcher Völkerrechtsprofessor Oliver Diggelmann im Auftrag des Bundes geschrieben hat. Gefordert hatten es jenische Organisationen.