Ein Irrtum, wie US-Präsident Donald Trump es suggerierte, war das nicht. Russland hat am Sonntagmorgen zwei ballistische Raketen auf die ukrainische Großstadt Sumy gefeuert. Sie schlugen innerhalb weniger Minuten ein, sie töteten mindestens 34 Menschen, verletzten weit mehr als 100 weitere. Unter den Opfern sind Kinder, sie alle sind Zivilisten. Viele von ihnen waren offenbar auf dem Weg zur Kirche, um den Palmsonntag mit einem Gottesdienst zu begehen. Online finden sich Bilder und Videos des Tatorts, Leichen unter Tüchern am Straßenrand aufgereiht, Flammen zwischen Trümmern, die entsetzten Gesichter der Ersthelfenden sind auch unter der dicken Staubschicht zu erkennen. Zwei Einschläge kurz hintereinander, das ist eine von Russland häufig eingesetzte Strategie – im Militärjargon heißt das Double Tap. Die Idee dahinter: Nach einem ersten Angriff eilen Helferinnen und Helfer an den Ort des Einschlags, der zweite Angriff gilt ihnen. Nach mehr als drei Jahren Krieg ist das internationale Entsetzen über die Gräuel, die Putins Truppen in der Ukraine verüben, seltener geworden. Doch gelegentlich geschehen Dinge, die so perfide und niederträchtig sind, dass sie die Weltgemeinschaft für einen Moment wachrütteln. (Wobei sie nicht wirklich einfach geschehen, sondern in voller Absicht verübt werden.) Der Angriff auf ein Kyjiwer Kinderkrankenhaus im vergangenen Sommer war so ein Fall, der Angriff in Sumy ist nur das jüngste Beispiel. Nach dem Raketenangriff auf Sumy haben Helfer die Leichen mit Rettungsfolie bedeckt. © Yehor Kryvoruchko/​Kordon.Media/​Global Images Ukraine via/​Getty Images Psychologen der Polizei betreuen Angehörige und Zeugen des russischen Angriffs. © Oleg Voronenko/​AFP/​Getty Images Helfer suchen in den Trümmern nach Überlebenden. © Roman Pilipey/​AFP/​Getty Images Bundeskanzler in spe Friedrich Merz nannte die Attacke am Sonntagabend ein "Kriegsverbrechen". Nochaußenministerin Annalena Baerbock konstatierte, der Angriff mache "deutlich, man will vernichten und nicht befrieden". Polens Außenminister Radosław Sikorski bezeichnete die Angriffe als Putins "spöttische Antwort" auf Trumps Bemühungen, mit Russland einen Waffenstillstand in der Ukraine zu verhandeln. Sie alle haben recht und benennen doch nur das Offensichtliche. Zahlreiche Zivilisten wurden bei dem Angriff getötet, viele waren am Palmsonntag auf dem Weg zum Gottesdienst. © Volodymyr Hordiienko/​dpa Die zwei ballistischen Raketen schlugen ins Stadtzentrum von Sumy ein. © Sofiia Gatilova/​Reuters Es ist also nur das Mindestmaß und dennoch gut und wichtig, dass das geschieht. Trumps öffentliche Demütigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die Verharmlosung Putins aus Teilen des sehr rechten wie sehr linken Lagers in Deutschland und in Europa – solche Dinge haben zuletzt zu häufig davon abgelenkt, dass dieser Krieg keine abstrakte geopolitische Verhandlung über Weltordnungen und Grenzziehungen auf einer Landkarte ist. Sondern ein in seinem ganzen Wesen ungerechter, brutaler Angriff auf ein europäisches Land. Mindestens 34 Menschen starben bei dem Angriff, mehr als 100 wurden verletzt. © Roman Pilipey/​AFP/​Getty Images Ein Helfer ruht sich zwischen den Trümmern aus. © Roman Pilipey/​AFP/​Getty Images Und nein, dieser Anschlag ist durch nichts zu rechtfertigen. Russland versucht es dennoch damit, dass die Attacke auf eine Versammlung von Soldaten in der Stadt gezielt hätte. In der Tat hatte das Militär in Sumy eine Zeremonie zur Ehrung von Soldaten abgehalten. Angeblich will der Bürgermeister bereits vorher davor gewarnt haben, dass eine solche Veranstaltung in einer frontnahen Stadt gefährlich werden könnte. Nun hat der Bürgermeister den dafür verantwortlichen Gouverneur der Region Sumy dafür öffentlich kritisiert. Das ist ungewöhnlich, und tatsächlich kann man sich fragen, wie man auf eine solche Idee kommt. Aber sie rechtfertigt keine ballistischen Raketen auf ein Stadtzentrum. Die Versammlung wurde von dem Angriff übrigens nicht getroffen, alle Soldaten blieben unverletzt. © Lea Dohle Newsletter Was jetzt? – Der tägliche Morgenüberblick Starten Sie mit unserem kurzen Nachrichten-Newsletter in den Tag. Erhalten Sie zudem freitags den US-Sonderletter "Was jetzt, America?" sowie das digitale Magazin ZEIT am Wochenende. Registrieren Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis. Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt. Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement. Diese E-Mail-Adresse ist bereits registriert. Bitte geben Sie auf der folgenden Seite Ihr Passwort ein. Falls Sie nicht weitergeleitet werden, klicken Sie bitte hier . Zivile Opfer sind hier nicht einmal nur eine Nebenwirkung des Angriffs, sondern die ausschließliche Folge. Das macht ihn zu einem Kriegsverbrechen in einem Krieg, der im Ganzen ein Verbrechen ist. Und eben nicht bloß irgendein Irrtum.